Des is fei schäi – Zweiaholb Doach in Franggen

Des is fei schäi – Zweiaholb Doach in Franggen

Fränkisches Idyll - der Bierkeller

Manchmal liegt das Glück näher als man glaubt. In rund drei Stunden Fahrzeit ist von Lippstadt aus Franken, der nördlichste Regierungsbezirk Bayerns, zu erreichen. Dorthin machten sich Studierende des Kurses A/AO4 zusammen mit ihren Lehrern, den Herren Salmen und Teubert, am Wochenende vom 14.-16. Juni auf.

Die kleine Exkursion bot vielfältige Lern- und Genussanlässe. Wir starteten am Freitagmorgen um 8:00 mit diversen Autos an verschiedenen Treffpunkten im Kreis Soest. Zielpunkt war der unterfränkische Weinort Prichsenstadt. Zunächst einmal hört sich das wenig spektakulär an, aber darum geht es auch gar nicht in Franken, im Land der Sinnesfreude und Gemütlichkeit. Das kleine mittelalterliche Städtchen liegt wie gemalt in der lieblichen Landschaft. Die alten, teilweise noch mittelalterlichen Häuser schmiegen sich in die noch vollständig intakte Stadtmauer. Nur vereinzelt finden sich Neubauten. Ebenfalls ganz anders als in Westfalen wirkt die Stadt mit ihren 3.000 Einwohnern alles andere als tot. Unzählige Gasthöfe, zwei hervorragende Metzgereien und andere Geschäfte sorgen für Lebendigkeit. Ein kleiner Imbiss mit Weinprobe ließ gute Laune aufkommen und machte Lust auf Oberfranken.

 

„Ham se gedankt?“ – Sprachvarietäten live studieren

 

Davon, dass regionale Identitäten maßgeblich in der Sprache zum Ausdruck kommen, konnte sich die Studierende Nadine Berkemeier beim ersten Betreten fränkischen Bodens überzeugen. Beim Erwerb eines Erfrischungsgetränks in einer unterfränkischen Tankstelle kam es zu ersten ernsthaften Missverständnissen. Die Studierende konnte mit der Frage „Ham se gedankt?“ nichts anfangen, glaubte schon, dass es in Franken üblich sei, sich beim Tankwart für den Dienst des Kassierens in förmlicher Form zu bedanken – so etwa, wie sich Japaner und Koreaner im alltagsgeschäftlichen Verkehr gegeneinander verbeugen. Der nach zweimaliger Wiederholung der Frage zunehmend ungehalten reagierende Tankwart konnte sich nicht ausmalen, dass der unkundige „Preuße“ so seine Probleme damit hat, wenn hochdeutsche Wörter mundartlich verändert werden. Er wollte ja nur wissen, ob die Studierende getankt habe.

Ein interessante Frage könnte es sein, inwieweit der fränkische Dialekt – es ist der vielfältigste Dialekt in Bayern – und die fränkische Lebenskultur sich gegenseitig bedingen. Der Redefluss der Franken zeichnet sich durch Prägnanz, weiche Vokale und tonale Würze aus. Und auch das Vokabular ist teilweise sehr speziell, sodass man als Nicht-Franke bisweilen so seine Probleme hat. Fränkisch ist bodenständig, originell und lässig-burschikos, ganz so wie das Leben in der Region. Immerhin aber sind die Ortsansässigen – im Gegensatz zu so manchem Oberbayern – nicht arrogant. „Auf einem Bierkeller“ (zu Deutsch: Biergarten) gab man der Gruppe Nachhilfe zur korrekten Verwendung der in Franken sehr wichtigen Wörter „Seidla“ (0,5l-Bierkrug) und „Maß“ (1l-Bierkrug).

 

Fränkisches Lebenselexier – das Bier

 

Womit wir beim Bier wären. Um ehrlich zu sein: Das Standquartier unserer Reise, das winzige Nest Pautzfeld, gelegen zwischen Bamberg und Erlangen, wurde nicht zufällig ausgewählt. Das Dorf liegt inmitten des fränkischen Bierlandes – weltweit die Region mit der größten Brauereidichte. Über 200 gibt es in Franken heute noch, rund 100 davon allein im näheren und weiteren Umfeld von Bamberg. Allein in der Gemeinde Hallerndorf, zu der Pautzfeld gehört, kommen auf 4000 Einwohner sechs Brauereien. Zu jeder von ihnen gehören in der Regel ein Gasthof und auch ein sogenannter Bierkeller. Die Reisegruppe nahm sich vor, alle Hallerndorfer Bierkeller auf einer Wanderung zu erschließen.

Ursprünglich war der Bierkeller ein in den Fels gegrabener Stollen, der in Zeiten, als es noch keine elektrischen Kühlschränke gab, im Winter mit Eis bestückt wurde und im Sommer zur Lagerung des leicht verderblichen Bieres genutzt wurde. Besonders die Franken in ihrer Genussfreudigkeit haben aus der Not eine Tugend gemacht. Warum also nicht gleich an der „Quelle“ das Bier unter schattigen Bäumen auch konsumieren? Der Gang „auf den Keller“ ist noch heute die Lieblingsbeschäftigung eines jeden „Bier-Franken“. Bei schönem Wetter ziehen solche Keller, die meist abseits jeglicher Hektik in idyllischer Natur liegen, leicht einige hundert Menschen aus dem Umland an. In entspannter Atmosphäre trinken sie ihr „Seidla“ Kellerbier und genießen die einfachen, aber häufig ebenso hochwertigen wie schmackhaften Mahlzeiten zu sagenhaft günstigen Preisen. An den langen Tischen, bei Speis und Trank, kommt man auch leicht mit Fremden ins Gespräch. So auch der Studierende Siebrecht, den wir bald vermissten und am Nachbartisch wiederfanden, vertieft in ein Gespräch mit dem Wirt und zwei Gästen aus Erlangen.

 

Survival-Training im nächtlichen Wald

 

Gegen 22 Uhr schließen die meisten Keller, und da niemand danach war, auf den Bus zu warten, entschlossen wir uns dazu, auch den Rückweg zu Fuß zu bewältigen. Es muss dazu gesagt werden, dass Herr Teubert sich vor zwei Jahren schon einmal in dem zu durchquerenden Wald verlaufen hatte. Auch dieses Mal sollte es nicht anders werden, trotz der unzähligen eingesetzten Smartphones, die in der Nacht offensichtlich ebenfalls Orientierungsprobleme haben. Nach einigem Hin und Her fanden wir schließlich doch den Ausgang und gelangten gegen Mitternacht, begleitet von unzähligen Mücken, zum Hotel zurück. Laut Schrittzähler sollen wir an diesem Tag rund 20 km zurückgelegt haben.

 

Entschleunigung auf Fränkisch

 

Am Samstag: Bamberg. Die Stadt mit ihren 75.000 Einwohnern zählt zu dem Schönsten, was Deutschland an (kleinen) Städten zu bieten hat, weil sich annähernd sämtliche Gebäude der Innenstadt über die Jahrhunderte erhalten haben, weshalb Bamberg seit 1993 zum Weltkulturerbe zählt. Darüber hinaus – trotz der vielen Touristen – bietet die alte Kaiserstadt aber noch immer ein vergleichsweise hohes Maß an Authentizität und Lebenswert, wenigstens, wenn man die touristischen Hauptachsen verlässt. Nach dem Kulturprogramm machten wir uns am Nachmittag auf zu einer kleinen, aber angesichts der Temperaturen doch recht schweißtreibenden Wanderung entlang der markantesten Gebäude zur über der Stadt thronenden Altenburg. Inzwischen im Training, wurde der steile Aufstieg nicht mit Murren kommentiert. In einer Spitzenzeit erreichten wir den Burgberg und führten uns ein Erfrischungsgetränk zu Gemüte. Auch da, wo man es nicht erwartet, hält Franken Gastronomie bereit. Tagesleistung: 15 km.

Am Abend war den meisten nicht nach weiteren Kellerbesuchen und deshalb wurden spontan in einem Billigdiscounter Badminton-Schläger erworben, um den Tag sportlich-gesellig ausklingen zu lassen. Manch einer ahnte dabei wohl nicht, dass er/sie erst in den frühen Morgenstunden ins Bett fallen würde.

Am Rückreisetag entschieden wir uns aufgrund des Regens und allgemeiner Erschöpfungserscheinungen spontan dafür, den Rückweg anzutreten. Wir blicken zurück auf zwei schöne Tage. Nächstes Jahr soll es nach Polen gehen…

Florian Teubert